„Der Sinn des menschlichen Daseins ist das Glück”
(Aristoteles).
Aber wie kommen wir dahin? Das Wort Glück scheint ja nahezulegen, dass wir ohne die glücklichen Zufälle im Leben kaum erfolgreich sein können: bei der Berufswahl, Partnerwahl oder einer kritischen Situation im Straßenverkehr: „Glück muss man haben”, das sagen wir dann zu uns selbst.
Natürlich spielen Zufälle eine Rolle, manchmal auch eine sehr große Rolle. Aber können wir auch selbst etwas für unser Glück tun? Gibt es vielleicht eine Technik oder Philosophie, die uns hilft, glücklicher zu sein? Und wie funktioniert eine solche Technik, wenn es sie denn überhaupt gibt?
Zunächst: Es gibt keine Technik, die für jeden funktioniert. Aber es gibt Techniken, die helfen und unterstützen. Jeder hat andere Erfahrungen und unterschiedliche Sichten auf dieses Thema. Das muss bei der Anwendung der Techniken berücksichtigt werden.
Auch wird Glück unterschiedlich definiert. Für die einen ist es Karriere, Anerkennung, Geld. Für die anderen ist es Partnerschaft, Kinder, Freunde oder für Jüngere vielleicht Party, Freiheit, Sex oder für Ältere Gesundheit, Reisen, Enkelkinder. Hier geht es um abstrakte Wünsche, die durch Techniken konkretisiert werden: vom Sinn zum Glück zum Erfolg – wie auch immer wir dies definieren. Der Weg dahin ist nicht einfach. Deshalb möchte ich Dir zunächst einige Ideen vorstellen, die die Zusammenhänge etwas präziser beschreiben, aber schon vielfach praktisch erprobt wurden, vielen Menschen geholfen haben und vielleicht auch für Dich hilfreiche Instrumente sind.
Suggestion in drei Schritten
Das Allererste, was ein Kind erlebt, ist die Fremdsuggestion. Es hat nicht die Wahl, ob es Deutsch oder Französisch spricht, wenn es in einer deutschen Familie aufwächst. Es ist zu 100 Prozent der Fremdsuggestion ausgesetzt. Es erwirbt die Sprache, die es vorfindet. Die Fremdsuggestion hält auch im Erwachsenenalter an, über neue Kontakte, Gruppen, in denen wir leben, oder auch über Medien. Sie führt dazu, dass wir Sinn erleben, sinnhaft handeln und unserem Leben einen Sinn geben.
Der zweite Schritt ist die Autosuggestion. Sie entsteht, wenn im Inneren der sich herausbildenden Persönlichkeit, aus dem Selbst heraus, Ideen ins Bewusstsein gelangen, wenn wir unter der Dusche stehen und plötzlich die Idee haben, die unser Problem löst.
Die Selbstsuggestion ist als dritter Schritt eine Möglichkeit, die wir erst mit dem Spracherwerb entwickeln. Dadurch können wir uns mit dem, was wir sprechen und wie wir es sprechen, selbst beeinflussen, zum Beispiel mit Sätzen wie: „Du bist gut. Du schaffst das“– um uns Mut zu machen, uns selbst zu motivieren und – oft auch mit etwas Glück – erfolgreich zu sein.
Selbstsuggestion als Instrument
Clement Stone beschreibt die Schritte der Fremd-, Auto- und Selbstsuggestion in seinem Buch: Der unfehlbare Weg zum Erfolg (Ariston 1981: 209). Eine ebenso bekannte Methode zur Selbstsuggestion ist das von Johannes Heinrich Schultz (Psychiater, 1932) entwickelte autogene Training zur körperlichen und geistigen Entspannung. Ein zentraler Satz: „Mein rechter Arm ist ganz warm.“ Weitere Formulierungen werden auf weitere Körperbereiche angewandt. Die positiven insbesondere physiologischen Effekte sind vielfach nachgewiesen bis hin zu den Atlantiküberquerungen von Hannes Lindemann (Arzt, 1955, 1956, 1960), deren Erfolge er auf die mentale Vorbereitung durch autogenes Training und Vorsatzbildung zurückführte.
Einen weiteren Ansatz der Selbstsuggestion findet man bei Napoleon Hill in seinem Buch: Denke nach und werde reich (Ariston 1996: 26-29). Er wertete die Lebensgeschichten der 500 erfolgreichsten US-Amerikaner aus, um ein Muster zu erkennen. Sein Fazit ist das täglich zweimalige Sprechen eines verbalen Musters, das beschreibt, was ich in meinem Leben erreichen will. Über viele Wiederholungen werden Kognitionen und Emotionen so an Wörter und Sätze gekoppelt (Skinner, Pawlow), dass sich dieses Muster mehr und mehr im Mindset einprägt. Im Kinofilm „The Founder“ wird zum Beispiel die Geschichte von Ray Kroc, dem Gründer von McDonalds erzählt, der sich diese Methode von Hill zu eigen machte.
Auch Alexander Christiani (2021: Bulletproof Marketing) spricht von einer ähnlichen Methodik, von Stories, die wir uns selbst erzählen – häufig Opfergeschichten, mit denen wir unseren Erfolg sabotieren. Aber er spricht auch von drei Story -Typen, die über unseren Lebenserfolg entscheiden. Es sind verbale Muster – wie bei Hill – die das Mindset prägen und mit daraus folgenden Handlungsmustern (Storydoing) zum Erfolg führen. Die Inhalte beziehen sich zwar auf das Marketing, dürften aber auch für die erfolgs – und glückstrebende Selbstsuggestion von Bedeutung sein.
Hill schrieb über seine Methode, dass sie von Andrew Carnegie stammt, der es mit ihrer Hilfe schaffte, sich vom Laufburschen und einfachen Arbeiter zum Stahlmagnaten emporzuarbeiten, und dadurch ein Vermögen von über 100 Millionen Dollar aufbaute. Auch der nach Hill äußerst geschäftstüchtige Thomas Alva Edison – der Erfinder der Glühbirne – habe nach sorgfältiger Prüfung des Musters erklärt, es stelle nicht nur die sicherste Methode dar, zu Geld zu kommen, sondern überhaupt jedes nur denkbare Ziel zu erreichen.
Zusammenfassend können wir also sagen, dass die Selbstsuggestion ein sehr starkes Instrument ist, mit dem wir Glück und Erfolg erreichen können, weil wir unserem Handeln durch diese Sprachmuster Sinn geben.
Mit einem Satz fängt es an
Geht man zunächst nur vom Titel des Buches von Hill aus, so scheint die Quelle des Glücks und Erfolgs vor allem das Denken zu sein. Das ist auch, was die meisten Menschen glauben. Mark Aurel, Römischer Kaiser und Philosoph (161 bis 180 nach Christus) soll zum Beispiel gesagt haben: „Unser Leben ist, was unserer Gedanken daraus machen.“
Dies bestätigen auch die Erfindungen in den folgenden Jahrhunderten. Ob das der Traum vom Fliegen, das Automobil, der Flug zum Mond, das Smartphone oder das Internet ist, jede Erfindung hatte ihren Ursprung in der Idee eines besonders kreativen Menschen.
Schaut man allerdings genau hin, scheint das Denken nicht die erste, sondern eine zweite Ursache zu sein. So finden wir zu Beginn des Johannes Evangeliums die Sätze: „Im Anfang war das Wort. Und das Wort war bei Gott (…) Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“ Die eigentliche Quelle allen menschlichen Lebens und Glücks scheint also das Sprechen zu sein. Auch das verbale Muster von Hill gewinnt seine Kraft erst durch das täglich wiederholende Sprechen (S. 27). Als Fazit können wir also festhalten:
Wir müssen positiv sprechen und positiv denken, wenn wir unser Leben positiv verändern wollen.
Wenn unsere Mutter zu uns sagte „Du bist gut. Du schaffst das“ , dann machte uns das Mut. Ebenso können wir mit diesem Satz uns auch selbst Mut zusprechen nach dem Motto „Sätze sind Schätze.“ Ich nenne solche Sätze Credos nach dem lateinischen „Ich glaube“, weil damit durch Wiederholung Glauben aufgebaut wird, der die Wahrscheinlich zur Verwirklichung solcher Sätze erhöht.
Jeder kennt das vielleicht aus seiner Jugend. Vater, Mutter, Oma oder Opa haben in einer bestimmten Situation mal einen bestimmten Satz gesprochen, den wir noch heute in Erinnerung haben. Das können negative oder positive Sätze sein. Solche Sätze lösen einen Prozess aus, der im Mindset zu einer Veränderung führt.
Genau diese Kraft können wir nutzen, um uns zu einer selbstbestimmten Veränderung unseres Lebens zu führen, wenn wir dazu ein eigenes Credo formulieren. Wiederholt gesprochene Sätze werden zu Credos, die über das Sprechen zum Denken und den damit ausgelösten Ideen zur Veränderung unseres Leben führen. Wir lassen uns sozusagen durch unser selbst gewähltes Credo führen.
Das ist die Basis für eine Methode, die ich Dir empfehle und die ich Credoing nenne – die selbstbestimmte Regulation vom Sprechen zum Denken zum Verändern.
Teil der Wahrheit ist aber auch, dass wir diese Macht zu oft unreflektiert nutzen und häufig sogar negative Sprachmuster pflegen, Opfergeschichten, die uns und unser Leben nach unten ziehen.
Ein Credo lautet zum Beispiel „Mit Geld gut aufgestellt“ . Dieses Credo wiederhole ich. Es verändert mein Mindset. Das Ceterum Censeo führt zur Aktivierung von Ideen. Danach folgt die Überleitung daraus ausgewählter Ideen in verändertes Handeln und abschließend zu einer von mir veränderten Realität, heißt: Ich lerne, besser mit Geld umzugehen und entwickele so mehr und mehr finanzielle Freiheit.
Der Prozess ist allerdings nicht in 14 Tagen erledigt. Nach 14 Tagen treten erste positive Wirkungen auf. Wenn ich wirklich etwas Großes erreichen will, ist das ein sehr sehr langer Prozess, der über Wochen, Monate, Jahre und Jahrzehnte geht. Er führt meine Lebenslernkurven stetig nach oben.
Scheitern führt zur Katalyse
Natürlich ist es nicht so, dass ein Credo zu 100 % wirkt. Aus der Placebo-Forschung der Psychologie wissen wir, dass die Wirkung mit etwa 80 % Wahrscheinlichkeit eintritt (u. a. Schedlowski). Ich selbst habe die Erfahrung einer 80-prozentigen Wirkung durch ein Trigger-Credo gemacht: „Immer wenn ich am Auto stehe, fällt mir das Kennzeichen auf.“ Das habe ich die ersten 14 Tage nicht trainiert, sondern nur notiert, den Zettel in die Schublade gelegt und eine Strichliste geführt. Ich habe immer dann einen Strich gemacht, wenn mir das Kennzeichen auffiel. Es war nur in 10 % der möglichen Fälle. Dann habe ich das Trigger-Credo über die nächsten 14 Tage zweimal täglich gesprochen, und es waren 80 % der möglichen Fälle, in denen es mir auffiel.
Das ist jetzt genau der Punkt, an dem die wiederholte Aussprache eines Credos zur Veränderung der Wahrnehmung führt und über so getriggertes Handeln auch zur Veränderung der Realität. Umgekehrt bedeutet dies aber auch 20 % Scheitern. Der Erfolg von 80 % ist eine reale Affirmation, die das Wachstum des Credos beschleunigt. Das Scheitern in 20 % der Fälle ist ein Ereignis, das dem Credo entgegensteht, aber auch als Katalysator wirkt, da mein Mindset durch die ständige Wiederholung des Credos geprägt ist – vorausgesetzt, dass mir diese Zusammenhänge bewusst sind. Dieser Punkt ist jetzt sehr wichtig. Sind mir die Zusammenhänge nicht klar, beginne ich an mir zu zweifeln. Aber Credos wirken nie zu 100 %. Scheitern ist Teil des Programms. Ob ich Tennis lernen will, Gitarre, eine Fremdsprache oder was auch immer, auch mit einem Plan, einer Erfolgsstrategie und zielführenden Techniken gilt das Pareto-Prinzip, die 80-zu-20-Regel. Wenn ich den Ball ins Netz schlage, übe ich, ihn übers Netz zu schlagen. Und wenn er über die Seitenauslinie geht, übe ich, ihn exakt zwischen zwischen Netz und Seitenauslinie zu platzieren. Wenn ich dies wiederholt trainiere, kann ich dies irgendwann routiniert und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit: „Wiederholung ist die Mutter des Erfolgs.“
Die Katalyse entsteht aus der Sedimentierung des Credos im Selbst in Verbindung mit dem realen Scheitern und dem damit in Kognition und Emotion erlebten Widerspruch zum Credo. Die richtige Einstellung dazu hatte der Dichter Johann Wolfgang von Goethe: „Das Gleiche lässt uns in Ruhe. Aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht“ – heißt: uns zu neuen Ideen führt und damit im zweiten Schritt nach Überwindung der negativen Kognitionen und Emotionen des Scheiterns den Weg zur Verwirklichung des Credos öffnet.
Um das Verhältnis zwischen Erfolg (80 %) und Scheitern (20 %) richtig einzuschätzen, ist ein weiteres wichtiges Instrument nötig: ein Logbuch, das ich jeden Tag führe und in das ich positive Ereignisse zum Credo eintrage, aber natürlich auch negative Ereignisse, diese aber nur verbunden mit einer Idee, wie ich es besser machen kann, oder einer Frage dazu.
Ein Logbuch und die Auswertung der Einträge helfen mir auch nach Jahren noch, zu sehen, wie ich meinen Lebensweg entwickelt habe, um daraus zu lernen, wie ich mich weiter verbessern kann und welche Fehler ich vermeiden will. Erfolg und Scheitern gehören zum Leben dazu. Der große Britische Premier Winston Churchill sagte: „Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.“ Oder als Credo: „Misserfolg ist der erste Schritt zum Erfolg.“
Die quantitativen Verhältnisse muss ich in einem Logbuch dokumentieren, damit nicht eine verzerrte subjektive Sicht auf die reale Entwicklung entsteht. Denn wir neigen evolutionär bedingt dazu, vor allem das Negative, die Gefahren, zu sehen. Untersuchungen zu unserem Denken haben gezeigt, dass wir jeden Tag etwa 60.000 Gedanken haben. Nur 3 % seien positiv, etwa 70 % neutral und der Rest, also 27 % negativ (u.a. www.zeit.de 15.08.2015). Wenn dies analog auch fürs Sprechen gilt, wir etwa 16.000 Wörter pro Tag sprechen, dann sind dies nur 480 positive Wörter.
Diese niedrige Positivquote können wir erhöhen durch ein Credoset, das wir zweimal täglich sprechen. Mein Credoset umfasst etwa 1.000 Wörter. Zweimal gesprochen, erhöhe ich meine Positivquote auf 2.480 positive Wörter. Das sind 15,5 %. Diese Positivsprechquote erhöht letztlich auch die Quote positiver Gedanken und damit auch das Potenzial positiver Veränderungen in meinem Leben.
Fazit
Das ganze hier vorgestellte Konzept und die Methodik dazu kann ich vielleicht mit Henry Ford so zusammenfassen: „Eine Sache entwickelt sich von selbst, wenn man dauernd an sie denkt.“ Auch seine Erfahrung ist ein Beleg für die Kraft der Methode und die Wirksamkeit des Credoing. Die Voraussetzung dafür, dass man dauernd an eine Sache denkt, ist die Festlegung eines Sets von Credos, die ich zweimal täglich trainiere. So schaffe ich die Basis dafür, dass ich meine Lebensqualität stetig verbessere. Der entscheidende Punkt für die Umsetzung ist jetzt, das Training an tägliche Routinen anzubinden, etwa kurz nach dem Wachwerden noch 10 Minuten im Bett bleiben und Credos sprechen oder unter der Dusche beim warmen entspannten Duschen Credos sprechen oder bei einer entspannten Autofahrt zur Arbeit oder in der Mittagspause. Es gibt viele Ideen dazu. Ohne Anbindung an tägliche Routinen ist das Risiko sehr hoch, nach einer Anfangsbegeisterung mit dem Training wieder aufzuhören. Zusammenfassend kann man es formulieren wie die Golflegende Gary Player:
Je mehr ich trainiere, desto mehr Glück habe ich.
An Rückmeldungen von Dir zu Deinen Erfahrungen mit dem Credoing oder als Einstieg mit dem oben genannten Trigger-Credo wäre ich natürlich sehr interessiert. Vielen Dank im Voraus.
Dr. rer. soc. Josef Düllings, Dipl.-Soziologe
Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) BerlinVice-President EAHM Luxemburg
